Bericht: „Kinokultur für alle“ Bundeskongress der Kommunalen Kinos

Vom 17. bis 19. Juni 2022 fand in den kulturellen und Kommunalen Kinos der Stadt Frankfurt der Bundeskongress der Kommunalen Kinos statt. Das Motto „Kinokultur für alle“ nahm auf die wegweisende Publikation „Kultur für alle“ des ehemaligen Frankfurter Kulturdezernenten und Gründer des dortigen Kommunalen Kinos, Hilmar Hoffmann, Bezug. Ziel des Kongresses war die zeitgenössische Fortschreibung der Geschichte kommunaler Filmarbeit und die Entwicklung zukunftsfähiger Kinoutopien.

Zum Programm gehörten Vorträge, Lesungen, Filmvorführungen und Debatten. Von der AG Stadtkino e.V., Träger des CinéMayence, nahmen drei VertreterInnen teil und zwar in unterschiedlichen Funktionen: Yumi Machiguchi als Kongressteilnehmerin, Reinhard W. Wolf als Panelteilnehmer und Natascha Gikas als gastgebende Mitveranstalterin des Kongresses.

Panel beim Bundeskongress der Kommunalen Kinos, Filmforum Höchst 19.06.22
Panel zur Kinozukunft beim Bundeskongress der Kommunalen Kinos, Filmforum Höchst 19.06.22 ©Yumi Machiguchi (CinéMayence)

Das Panel, an dem der Leiter des CinéMayence teilnahm, sollte Wege zur Verwirklichung einer Kinoutopie aufzeigen. Hintergrund sind große Erwartungen an die Stadt Mainz, weil bundesweit die neue, günstigere Haushaltssituation durch höhere Steuereinnahmen Beachtung fand und wahrgenommen wurde, dass das Kulturamt der Stadt deshalb die Konzeption für ein erweitertes Kommunales Kino unterstützt. Neben dem CinéMayence und der Kommunalen-Kino-Initiative für ein Zentrum Audiovisueller Kulturen (ZAK) in Hamburg sollten auch VertreterInnen der Planungsgruppe für ein neues „Haus für Film und Medien“ ins Stuttgart, die aber leider absagen mussten. Insbesondere Dank der Präsentation des ZAK war es dennoch ein interessantes Panel, das viele Zukunftsimpulse liefern konnte.

Kurzgefasst: Das „Zentrum für audiovisuelle Kulturen“ in Hamburg soll ein Ort sein, an dem medienkulturelle Forschung auf Bildung und Vermittlung treffen und Bewahrung alter wie Entdeckung neuer Medien möglich werden soll. Zum ZAK gehören u.a. zwei Kinos, Open-Air-Veranstaltungsflächen, Workshopräume, Ausstellungsräume, Festivalbüros und das Filmarchiv des Kommunalen Kino Metropolis. Die Planung des Geländes wird von der österreichischen Stadtplanerin und Architektin Gabu Heindl betreut, die u.a. in Wien das Stadtkino im Künstlerhaus und das Filmmuseum umgestaltet hat.

In Stuttgart plant der Verein „Haus für Film und Medien Stuttgart e. V.“ mit dem „Haus für Film und Medien“ auf dem Areal einer Parkgarage in Stuttgart einen lebendigen, urbanen Begegnungsort. Neben dem Film sollen hier auf rund 4.500 Quadratmetern sämtliche Formate des Bewegtbildes von Animation über Games und Software bis hin zu Virtual Reality, Augmented Reality und Künstlicher Intelligenz ein Zuhause finden. Mit seinem interdisziplinären, medienpädagogisch und kulturell hochwertigen Programm sowie offenen Werkstatt‐Charakter richtet sich das Haus an alle BürgerInnen. Als Elemente sind daher Labs, Studios und Workshop‐Räume für die aktive Medienarbeit sowie Kinosäle, Veranstaltungs‐ und Ausstellungsbereiche als Räume der Präsentation und des Diskurses geplant.

Aussenperspektive des geplanten Haus für Film und Medien in Stuttgart © Delugan Meissl Associated Architects, Wien

Am 2. Februar dieses Jahres wurde von den städtischen Gremien der Sieger eines stadtplanerischen Realisierungswettbewerbs gewählt (s. Bild). Die Eröffnung ist für 2026 geplant. Während es vom Hamburger Projekt nur erste Skizzen gibt, ist das Konzept für das Stuttgarter Filmhaus abgeschlossen und kann hier eingesehen werden.

Von Vorhaben in dieser Größenordnung kann man in der Landeshauptstadt von Rheinland-Pfalz nur träumen. Insofern passte der im Veranstaltungstitel genannte Begriff Utopie. Da wir in Mainz erst bei der Erstellung eines Konzeptpapiers sind, konnte vom CinéMayence noch keine konkrete Aussicht vorgestellt werden. Als Wunschvorstellung wurde eine Verbesserung gegenüber der jetzigen Situation, 1-2 Kinosäle, ein multifunktionaler Konferenzraum sowie Betriebsräume vorgestellt. Inhaltlich soll idealerweise noch stärker als bisher mit anderen kulturellen Institutionen der Stadt kooperiert werden. Das Ziel ist eine Gleichstellung des Mediums Film mit anderen Kultursparten wie Theater, Musik und Bildende Kunst. Die Hoffnung besteht, dass auch in Mainz ein neuer angemessen ausgestatteter Kulturort entsteht (und am Ende nicht, wie so oft in unserem Bundesland, wenn es um Filmkultur geht, nur Klein-Klein herauskommt).

Als unser Fazit der Tagung finden wir es bemerkenswert, dass es einerseits wegen des wirtschaftlichen Niedergangs des Kinogewerbes seit Jahren keine Kinoneubauten mehr gibt, aber bundesweit eine ganze Reihe toller, nichtgewerblich-kultureller Kinoplanungen angeschoben wurden, denen gemeinsam ist, dass sie weit mehr sind als eine Leinwand für das Abspiel von Filmware mit einem Eingang und einem Ausgang. Die Vorstellungen vom bürgerschaftlichen Gemeindekino in der Gründerzeit wurden und werden fortentwickelt. Heute sind Kommunale Kinos Kulturinstitutionen, die auch zunehmend die aktuellen Entwicklungen der Medien und neuen Techniken einbeziehen. Vor allem aber auch die Herstellung von Öffentlichem Raum in den Mittelpunkt stellen, in dem Partizipation und bürgerschaftlicher Diskurs ohne Konsumdruck – eben „Kinokultur für alle“ – möglich sind.

ps. Auch in der anderen Gutenberg-Stadt, nämlich in Strasbourg, gibt es positive Entwicklungen in Sachen Kommunales Kino. Am 11. April haben die Bauarbeiten für ein cinéma municipal, unter dem Namen „Le Cosmos“, begonnen. Hierfür wird der neoklassizistischen Filmpalast L’Odyssée von 1913 restauriert und modernisiert.

Veranstaltet wurde der Kongress vom Bundesverband kommunale Filmarbeit e.V.

Artikel über „Kultur für alle“ und Hilmar Hoffmann auf Kulturelle Bildung online