Medienkunst (Video + TV) – Die Medienrealitäten von Bjørn Melhus

Bjørn Melhus – Einführung

Björn Melhus @Kunsthochschule Kassel 2013

Bjørn Melhus (geb. 1966) ist ein deutsch-norwgischer Filmemacher und Medienkünstler. Er studierte in der Filmklasse der HfBK Braunschweig, unter anderem bei Birgit Hein, und am California Institute of the Arts in Los Angeles. Er lebt und arbeitet in Berlin und als Professor für Virtuelle Realitäten in Kassel.

Fast alle Arbeiten von Melhus handeln von der Begegnung mit Figuren aus der Welt der Medien. Aufgewachsen in einer Zeit der Bilderflut und medialen Allgegenwärtigkeit erscheint die Medienwelt bei Melhus, selbst der ersten Generation der „Fernsehkinder“ angehörend, bereits als hyperreale Wirklichkeit. Die Haltung der Videokunst-Pioniere zum Fernsehen und der Medienwelt war noch von einem Gegenüber geprägt. Entweder wie bei >Paik und Vostell, die mit dem Fernsehmonitor als Objekt arbeiteten, oder, wie bei >David Hall, der mit alternativen Programmen im Mainstream-Fernsehen intervenierte. Nur >Dara Birnbaum erkannte sehr früh die Medienwelt des Fernsehens als Simulacrum an. Doch während Birnbaum mit ihren Arbeiten eine Neupositionierung des Zuschauers gegenüber diesem realen Trugbild – eine zweite Realität – anstrebt, wird in den Arbeiten von Melhus der Zuschauer Teil der künstlichen Medienwelt und sind das Künstler-Ich und seine medialen Alter Egos in sie integriert.

5 mal Melhus als Superheld – Standbild aus „Omen“ /Preview: Loop auf melhus.de (45 sec) ©Bjørn Melhus 2008
Melhus als Schlumpf in „Blue Moon“/Preview: https://melhus.de/blue-moon/ ©Bjørn Melhus 1997

Konsequenterweise spielt Melhus in seinen Arbeiten fast alle Figuren, unabhängig vom Geschlecht, selbst. In Das Zauberglas (1991) eine Doppelrolle als Cowboy und Indianerin, in Weit weit weg (1995) die Dorothy aus The Wizard of Oz, in No Sunshine (1997) Kinder-Popstars, in Prime Time (2001) ist Melhus Fernsehmoderator und spielt auch seine zwei Assistentinnen, in der Installation Weeping (2001) tritt er als Fernsehprediger auf, in Auto Center Drive (2002) spielt Melhus ein ganzes Ensemble von Pop- und Medienstars in einer Welt voller amerikanischer Mythen und in Sugar (2020) als einziger Mensch an der Seite des humanoiden Roboters Sugar.

Technisch beruhen die Produktionen auf ‚gefundenem‘ Originalton aus Filmen und Internetvideos, den Melhus zu rhythmischen Wiederholungen und Loops bearbeitet. Im Unterschied zu >Found-Footage-Filmen verwendet Melhus für seine Inszenierungen kein Fremdmaterial, sondern dreht in eigenen, zum Teil aufwändigen, Kulissen. Dabei werden bekannte mediale Bildwelten abstrahierenden imitiert.

Melhus als TV Evangelist in „The Oral Thing“ / Preview: https://melhus.de/the-oral-thing/ ©Bjørn Melhus 2001

Inhaltlich thematisiert Melhus Fragen der subjektiven Identität und der Produktion von Geborgenheit in der Ersatzwelt. Dabei zeigt er auch die paradoxe Absurdität medialer Kommunikation und die Instrumentalisierung von Gefühlen durch die Medien. Viele seiner jüngeren Arbeiten beschäftigen sich mit Themen wie politische Propaganda im (amerikanischen) Fernsehen, TV-Evangelisten, Turbokapitalismus und Kriegstraumata. Seine Arbeiten decken meta-medial Strukturen der Macht, der popkulturellen Verführungsstrategien und der soziokulturellen Einflussnahme der Medien auf.

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