Einführung – Werner Nekes und Dore O.
Die Malerin und Filmemacherin Dore O. (1946 – 2022) und der Experimentalfilmemacher Werner Nekes (1944 – 2017) arbeiteten in den 60er Jahren in Oberhausen und Mühlheim zusammen. Beide sind Mitbegründer der Hamburger Filmemacher Cooperative (1968).
Werner Nekes eröffnete 1992 mit seiner Privatsammlung zur Vorgeschichte des Films in einem ehemaligen Wasserturm in Mühlheim/Ruhr das Museum Camera Obscura. Nekes‘ Interesse an der Vorgeschichte des Films rührt von seinen Experimenten und theoretischen Überlegungen zum Wesen der Filmmontage und den kleinsten kinematographischen Einheiten. Montage ist nach Nekes‘ Theorie nicht erst das Zusammenfügen zweier Einstellungen, sondern bereits der Zusammenstoss zweier Einzelbilder („Kader“). Seine Erkenntnisse präsentierte er 1985 in einem dokumentarischen Lehrfilm mit dem bezeichnenden Titel Was geschah wirklich zwischen den Bildern?
Nach Nekes ist das kleinste Elemente der Filmsprache der Unterschied zwischen zwei Bildern, den er als kleinste Einheit ‚Kine‘ bezeichnete.
jüm-jüm
Dore 0. und Werner Nekes, 16mm, F, 10 Min, BRD 1966-67
Verleih (ehemals): Gurtrug Film, Mühlheim; Archive: Centre Pompidou (16mm), Sammlung Werner Nekes (VHS)
In JÜM-JÜM sieht man eine junge Frau (Dore O.) auf einer Schaukel vor einem großen Bild hin und her schwingen. Die Kleidung des Mädchens ist übermalt. Die Bemalung erinnert an ein Skelett oder die Markierungen bei filmischen Bewegungsstudien à la Muybridge. Das Bild im Pop Art Stil, von Dore O. gemalt, zeigt einen Phallus auf den das Mädchen ‘zuschaukelt’. Jedenfalls scheint es so. Denn die Schaukelbewegung ist nicht kontinuierlich, da die Kamera während der Aufnahme unregelmäßig angehalten wurde. Die Bewegung, die auf der Leinwand zu sehen ist, entsteht durch die Montage erst im Auge des Betrachters.
JÜM-JÜM besteht aus mehr als 13000 Einzelbilder, die in mehr als 2000 Kadermontagen zusammengefügt wurden. Systematisch untersucht Nekes in nur 10 Minuten nacheinander unterschiedliche Dimensionen der Bewegung: die Schaukelbewegung selbst, Lichtveränderungen, sie Konstellation von Personen und Objekten, Bildumkehrung und die Destruktion der Filmemulsion. Der Schnittrhythmus ist mit einem Trommelton abgestimmt, der mal monoton, mal polyrhythmisch organisiert ist.
Damit verbinden sich mehrere Elemente und Verhältnisse, die Nekes sein Leben lang interessierten, in einem einzigen Film: die Beziehung zwischen Einzelbildern, die Beziehung zwischen Bild und Ton, die Illusion von Bewegung im Kino, der Bezug zur Malerei und Genderfragen.