125 Jahre Kino


Erste Kinovorstellung im Grand Café – auf der Leinwand: „Der begossene Gärtner“ © Poster Marcellin Auzolle (1862-1942)

Als Geburtstag des Kinos gilt der 28. Dezember 1895. An diesem Tag vor 125 Jahren begann im Salon Indien des Grand Café am Pariser Place de l’Opéra die erste öffentliche Veranstaltungsserie, in der ausschließlich Filme gegen Zahlung eines Eintritts vor Publikum gezeigt wurden. Gezeigt wurden Filme der Brüder Auguste und Louis Lumière. Zur Vorstellung am ersten Tag kamen Betreiber von Theatern und Vertreter der Presse, die eingeladen waren, aber so wenig zahlende Besucher, dass angeblich nur 33 Francs eingenommen wurden. Ein Monat später waren es aber schon bis zu 2500 Zuschauer täglich. Und dies, obwohl das Programm nur etwa eine Viertelstunde dauerte.

Gezeigt wurden zehn Kurzfilme verschiedener Gattungen, die nur eine Minute und kürzer waren. Als erstes im Programm wurde „La Sortie de l’Usine Lumière à Lyon (Arbeiter verlassen die Fabrik)“ gezeigt. Ein Dokumentarfilm, den man auch als frühen Werbefilm bezeichnen könnte. Denn, wie der französische Originaltitel verrät, zeigt er nicht ArbeiterInnen irgendeiner Fabrik, sondern das Werktor der Firma von Vater Lumière. Zu dem abwechslungsreichen Programm gehörten auch Slapstick-Komödien, wie der besonders gelungene „Le Jardinier – l’Arroseur arrosé (Der begossene Gärtner)“. Eine restaurierte Version des einminütigen Films ist auf Wikimedia veröffentlicht:

„Der begossene Gärtner“  (Gebrüder Lumière, F 1895, 1 Min)

Das gesamte Programm der Vorstellungen im Grand Café hat das Institut LumIère auf folgender Seite rekonstruiert: Première Seance

Ihre Erfindung bezeichneten die Brüder Lumière mit dem Kunstwort Cinématographe, aus dem sich später verkürzt cinéma, cinema und Kino ableitete. Dahinter steht der Apparat, der ‚Bewegung schreibt‘, den die Brüder Lumière bereits Anfang 1895 patentieren ließen. Dieser Kinematograph war zugleich zur Aufnahme wie zur bewegten Wiedergabe von fotografischen Bildern geeignet.

Durch Lizenzierungen verbreiteten die Brüder Lumière ihr Kino bald in ganz Europa und in den USA. Im Deutschen Reich wurde der „Apparat zur Herstellung und Vorführung chrono-photographischer Bilder“ beim Kaiserlichen Patentamt angemeldet. Die Patentschrift datiert auf den 11. April 1895. In Deutschland wurden die Vermarktungsrechte von dem Schokoladenfabrikanten und frühen Kino-Fan Ludwig Stollwerck erworben, nachdem er von einer Vorführung in London begeistert war. Folglich fand die erste öffentliche Kinovorstellung in einem Saal seiner Firma DAG am 20. April 1896 in Köln statt.

Einige Wochen zuvor, am 1. November 1895, hatten bereits die Gebrüder Skladanowsky im Rahmen eines Varieté-Programms im Berliner Wintergarten kurze Filme gezeigt. Für ihren Auftritt als ‚Nummer‘ im Programm des Wintergarten erhielten sie eine Gage. Die Show war vier Wochen lang im täglich ausverkauftem Haus zu sehen. Zu ihren bekanntesten, erhaltenen Filmen gehörte „Das boxende Känguruh“ von 1895, der auch im Wintergarten für Belustigung sorgte.

Ihren Apparat nannten die Max und Emil Skladanowsky Bioscop, mit dem man ebenfalls aufnehmen und wiedergeben konnte. Nach dem Auftritt in Berlin tingelten die Brüder durch Europa, insbesondere im Norden. Vermutlich deshalb heißt Kino in Dänemark und Schweden noch heute „Bio“.

Trotz unterschiedlicher Voraussetzungen und ‚Geschäftsideen‘ sind die Parallelen zwischen den Brüdern aus Pankow und aus Lyon frappierend. Und man schaute voneinander ab. So drehten die deutschen, als frühes Remake, einen einfahrenden Zug – nur dass die auf 50mm breitem Film gedrehte „Ankunft eines Eisenbahnzuges“ (1896) in Berlin und nicht in La Ciotat gedreht wurde.

Die 2020 von Denis Shiryaev aufwändig mit KI hochskalierte Digitalversion von “L’Arrivée d’un train en gare de La Ciotat” auf YouTube.

Aktualisierung: Der Zugriff auf die Digitalversion von Denis Shiryaev ist inzwischen nur noch nach Anmeldung möglich. Eine Kopie gibt es hier (externer Link / es gelten die AGB von YouTube).

Technisch konnte das Bioscop mit dem überlegeneren Cinématographe, insbesondere dem filmtransportierenden Greifern, nicht mithalten. Als Schausteller für Lichtprojektionen und optische Attraktionen waren die Brüder Skladanowsky eher artistisch orientiert und auch wirtschaftlich den erfahrenen Unternehmern aus Lyon unterlegen. Bereits 1897 gaben sie ihr Projekt und das Filmmetier auf.

Die Idee eroberte aber fast gleichzeitig und in Windeseile überall auf der Welt. Lumière und Skladanowsky waren nicht die einzigen Erfinder des Kinos. Echte Kinos, im Sinne eines Gebäudes, das ausschließlich Filmvorführungen dient, wurden erst ein paar Jahre später, kurz nach der Jahrhundertwende, etabliert. Die Entwicklung und der Erfolg waren aber rasant. Das erste in Kino Deutschland wurde von Stollwerk als „Biographisches Institut“ in Köln eröffnet. Das war im Jahre 1906. Bereits ein Jahr später gab es in der gleichen Stadt schon 15 Kinos.

In Mainz wurden, nach Schaustellungen von Reihenbildern im November 1896 in der „Liedertafel“, die ersten Kinos ebenfalls 1906 eröffnet („Weber’s Kinematograph“ am Flachsmarkt und Am Graben).


Zum Thema siehe auch: Webdokumentation „Mainzer Kinogeschichte