Einführung
Maya Deren ist als Filmemacherin, Theoretikerin und Aktivistin eine der bedeutendsten Persönlichkeiten des Avantgarde-Films. Ihr filmisches Werk, das zwischen 1943 und 1958 entstand, kann historisch als Bindeglied zwischen den Strömungen der europäischen Vorkriegs-Avantgarde und dem amerikanischen Avantgarde-Film der Nachkriegszeit-Moderne, den sie wesentlich mitbegründete, verstanden werden. Maya Derens Überlegungen zum Wesen der Filmkunst und zu gestalterischen Fragen, insbesondere zur Filmmontage, hat sie in Essays schriftlich niedergelegt. Zugleich hat Maya Deren ihre Vorstellungen aber auch in ihren eigenen Filmen umgesetzt. Ihre Filme sind zugleich filmästhetische und theoretische Entwürfe. Die poetische Schönheit und visuelle Kraft der Filme ist jedoch so überwältigend, dass metafilmische Aussagen in den Hintergrund rücken und deshalb erst aufgedeckt werden müssen.
Die Manipulation von Raum und Zeit als filmspezifische Kategorie
Maya Derens Interesse galt den kreativen Möglichkeiten des Mediums, das heißt in ihren eigenen Worten den »kreativen Möglichkeiten, die einzig und allein in diesem Medium stecken«. Als zentrale filmspezifische Kategorie entdeckte Deren die Manipulation von Zeit und Raum: »Die schöpferische filmische Arbeit erstreckt sich vor allem auf die Manipulation von Zeit und Raum. Damit sind nicht nur die etablierten Filmtechniken (…) gemeint. Die Art der zeitlichen und räumlichen Manipulation, auf die ich mich hier beziehe, geht in die organische Struktur eines Films ein. Hier sind etwa die Ausweitung des Raumes durch die Zeit und die Ausweitung der Zeit durch den Raum zu nennen« (Creative use, Deren 1960*).
An Beispielen aus zwei der wichtigsten Filme von Maya Deren, Meshes of the Afternoon (1943) und At Land (1944), sollen solche Zeit- und Raum-Manipulationen und Derens metafilmische Aussagen zu diesem Thema erläutert werden.
*Zitatquelle: Deren, Maya: »The Creative Use of Reality« (1960), in: Avantgarde und Experiment, übersetzt von Noll Brinckmann, Frauen und Film Heft 37, Stroemfeld, Frankfurt a.M., Oktober 1984, S. 63 -73
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