Medienkunst (Video + TV) – „TV Buddha“ von Nam June Paik

Nam June Paik – Videokunst-Pionier

Porträt von Nam June Paik. Foto: Lim Young kyun/National Museum of Contemporary Art, Korea 1981 cc fair use

Der Beginn der Videokunst ist untrennbar mit den Arbeiten des koreanischen Künstlers Nam June Paik (1932 – 2006) verbunden. Im Jahr 1963 zeigt Paik, der damals in Deutschland lebte, in seiner Ausstellung „Exposition of Music – Electronic Television“ in der Wuppertaler Galerie Parnass Installationen mit modifizierten Fernsehgeräten. Zu diesem Zeitpunkt stand noch kein mobiles Magnetband-Aufzeichnungsgerät zur Verfügung. Bis in die späten 70er Jahre wurden Fernsehsendungen entweder live oder auf 16mm-Film produziert. Sobald mobile Videoaufzeichnungsgeräte auf den Markt kamen, wurden diese auch von Künstlern benutzt. Das erste tragbare Videogerät kam erst 1965 auf den Markt. Es beruht auf einer Entwicklung der Firma Sony für die Luftüberwachung im Vietnamkrieg und wurde als Amateurgerät weiterentwickelt und vermarktet. Nam June Paik war einer der ersten Künstler, der das neue Gerät – das Sony Portopak – erwarb und damit arbeitete. Zu dieser Zeit war das Fernsehen in den USA bereits als Massenmedium etabliert und stand im Zentrum der künstlerischen Kritik. Fast alle frühen Videoarbeiten beziehen sich auf das Medium Fernsehen. Paik soll gesagt haben: das Fernsehen hat uns unser ganzes Leben attackiert, aber jetzt können wir zurückschlagen.


Die Closed-Circuit Installation „TV Buddha“

„TV Buddha“ von Nam June Paik; Harvard Art Museums 2004, Cambridge, Mass.

TV Buddha (1974) ist die wohl bekannteste Videoskulptur Paiks. Es gibt davon mehrere Varianten, aber die Grundkonstellation ist immer die Gleiche. In der New Yorker Ausstellung von 1974 stellte Paik eine antike sitzende Buddhastatue einem Fernsehgerät gegenüber. Die hinter dem Monitor aufgestellte Videokamera nimmt die Statue frontal auf und lässt sie als Kopf- oder Brustbild auf dem Monitor erscheinen. Die Installation verbindet mehrere widersprüchliche Kontraste auf harmonische Weise: das Sakrale mit dem Profanen, antikes Kunsthandwerk mit moderner Technik und nichtzuletzt westliche und östliche Philosophien.

Installationen wie TV Buddha werden Closed-Circuit-Installationen genannt, da eine Live-Kamera ein Objekt aufnimmt, dessen Bild ohne äußeren Eingriff direkt auf den Bildschirm eingespeist wird, so dass damit ein selbstreflexiver Kreis geschlossen wird. In späteren Closed-Circuit-Installationen werden oft Ausstellungsbesucher dabei aufgenommen, wie sie sich selbst im Fernsehbild betrachten. In manchen Installationen wird der Signalweg künstlich verlängert, so dass die Zeitverzögerung wahrnehmbar wird. Closed-Circuit-Installationen zeigen auf einer meta-medialen Ebene wie Medienkommunikation funktioniert.

„TV Buddha“, Version von 1974 cc BY-NC-SA 2.0 / Tate Modern, London

In Paiks Installation TV Buddha ist die Buddha-Figur einerseits Stellvertreter des meditierenden Menschen, zugleich aber auch Stellvertreter des Fernsehzuschauers. Dieser Buddha meditiert aber vor seinem eigenen Abbild anstatt sich – wie im Zen – in sich selbst zu versenken. Da die Statue wie ein meditierender Mensch/Fernsehzuschauer bewegungslos und stumm ist, verschwindet die Zeit, die das Bildsignal von der Aufnahme bis zur Wiedergabe benötigt in der Apparatur. Bild und Abbild verschmelzen in einem zeitlosen Kontinuum. Die spirituelle Freiheit der Zen-Meditation verliert sich ebenso und geht im System des Mediums auf. Das Medium wiederum reproduziert nur sich selbst und benötigt dabei den Menschen nicht – oder allenfalls als passiven Konsumenten.


Quellen und Literatur zu Nam June Paik:
Decker, Edith 1988: Paik Video, DuMont Buchverlag, Köln
Herzogenrath, Wulf (1993): Nam June Paik Fluxus Video, Verlag Silke Schreiber, München
Preikschat, Wolfgang (1987): Video. Die Poesie der Neuen Medien, Beltz, Weinheim und Basel.