Dara Birnbaum – Einführung
Die Arbeiten der New Yorker Künstlerin Dara Birnbaum (geb. 1946) gehören zu den einflussreichsten und innovativsten Beiträgen zum Verhältnis von Kunst und Fernsehen, Populärkultur und Massenmedien. Ursprünglich Architektin und Stadtplanerin schloss sie 1976 eine Ausbildung am Video Study Center of Global Village an der New School for Social Research ab. Sie gehört damit zu den amerikanischen Pionieren der Videokunst. In den 70er und Anfang der 80er Jahre produzierte sie überwiegend kurze Videobänder, in denen sie Material aus Mainstream-Fernsehsendungen verwendet. Sie war damit die erste Künstlerin, die Found-Footage-Methoden auf Video und Fernsehen anwandte (vgl. >Found Footage im Film). Ihre Arbeiten bezeichnete sie als neue „ready mades“ für das Ende des 20. Jahrhunderts. Eines ihrer Hauptthemen ist die Rolle der Frau in den Medien. Seit Ende der 80er Jahre schuf Birnbaum auch Videoinstallationen und Foto- und Medieninstallationen, die u.a. auf der documenta ausgestellt wurden.
Obwohl politisch interessiert und motiviert, vertraut Birnbaum nicht mehr den aufklärerischen Strategien der Moderne, wie sie etwa zeitgleich von den Videoaktivisten der alternativen Medienszene verfolgt werden. Aus ihrer kritischen Auseinandersetzung mit dem Fernsehen folgt auch nicht der Versuch Videokunst innerhalb der Institution Fernsehen zu etablieren (vgl. >David Hall). Birnbaum betrachtet die Fernsehmedienwelt vielmehr als Simulacrum, in dem Technologie mit Ideologie und medial gespiegelte Subjektivität mit Identitätsverlust gepaart und unentwirrbar verbunden sind. Sie teilt dabei aber nicht – wie Baudrillard – die (nur) pessimistische Einschätzung des Simulacrum als Realitätsverlust, sondern sieht im Simulacrum ein Potential für die Destabilisierung konventioneller Werte und Identitätszuordnungen, insbesondere bezüglich der Gender-Rollen. Ihre Aufgabe als Künstlerin sieht Birnbaum darin, die ideologischen Implikationen der technischen Medienwelt transparent zu machen, die Position des Zuschauers zu stärken und den Blick auf die Medien zu schärfen.
Birnbaums Arbeit ist deshalb auch nicht an eine bestimmte Präsentationsform – wie etwa die Ausstrahlung im Fernsehen, die Monitorpräsentation im Museum oder die Installation im Ausstellungskontext – gebunden. Ihre Arbeiten umfassen ein breites Spektrum von Präsentationsformen: vom Videokurzfilm über Clips für MTV, Multimediainstallationen für Ausstellungen bis zur interaktiven Videowand in einer Shopping Mall. Nicht an eine bestimmtes Präsentationsmedium oder Interface gebunden, durchbricht Birnbaum die dem jeweiligen System immanenten, fixierten Beziehungen zwischen Medium und Zuschauer. Sich außerhalb des thematisierten Systems stellend, gelingt Birnbaum so meta-medial die Herstellung von Transparenz und die Decodierung der Bildersprachen. Anlässlich ihrer Jury-Tätigkeiten beim internationalen\medien\kunst\preis 2002 sagte Dara Birnbaum: »Meiner Ansicht nach benutzt die Kunst Bildercodes nicht nur, sie zeigt auch auf, worin sie bestehen. Sie hält den Codesystemen unserer Gesellschaft einen Spiegel vor. Die Künstler finden einen Weg, diese Codes neu zu rahmen, sie zu isolieren, sie zu drehen und zu wenden und damit dem Zuschauer eine andere Möglichkeit der Wahrnehmung zu geben« (www.medienkunstpreis.de).