Medienkunst (Video + TV) – „TV Interruptions“ von David Hall

David Hall – Fernsehkunst-Pionier

David Hall in einer seiner TV Interruptions: #6 „Street piece“ 1971

Der Brite David Hall (1937-2014) gehört zu den Pionieren der Fernsehkunst und der britischen Videokunst. Hall kommt ursprünglich von der Bildhauerei und der konzeptuell orientierten Minimal Art. Sehr früh begann Hall Fotografie, Film und Video in seinen Ausstellungen und Installationen einzubeziehen. Neben seiner künstlerischen Arbeit war Hall als Aktivist, Kurator und Dozent tätig. In seinen theoretischen Schriften begründete er den Gattungsbegriff „time-based art“. 1972 gründete er am Maidstone College of Art in Kent eine Abteilung für Time-based Art, wo zum ersten Mal ein Hochschulabschluss in Videokunst möglich war. 1975 organisierte Hall in London eine Video-Ausstellung (The Video Show, Serpentine Gallery, London) und kuratierte im Jahr 1976 die erste Videokunst-Ausstellung der Tate Gallery. Im gleichen Jahr war er Mitgründer der Organisation London Video Arts (LVA). Hall arbeitete immer auch für das Fernsehen, wie u.a. für BBC TV, Channel 4 TV, Scottish TV, Canal+ und MTV. Zuletzt war David Hall Honorarprofessor am Duncan of Jordanstone College of Art and Design der Dundee University.


Die „TV Interruptions“ von David Hall

TV Interruptions: #1 „Interruption Piece“ 1971

1971 produzierte David Hall für Scottish TV zehn TV Interruptions. Diese Unterbrechungen im normalen Fernsehprogramm wurden im August und September 1971 unangekündigt gesendet. Eine Auswahl von sieben der zehn „interruptions“ wurden später unter dem Namen 7 TV Pieces veröffentlicht. Diese Arbeiten sind die ersten Beispiele für ein Fernsehformat, das später als TV-Intervention bezeichnet wurde.  Es sind kurze Spots oder Videofilme, die in den Lücken der Programmschienen gesendet werden. Als Pausenfilme mit irritierenden Inhalten, als gefakte Programmhinweise oder als Werbeclip getarnt, unterbrechen sie den Programmablauf und durchbrechen die Fernsehgewohnheiten der Zuschauer. Für Hall war Videokunst kein Nebenprodukt der Fernsehtechnik, sondern fester Bestandteil des Mediums Fernsehen. Mit seinen Videokunstarbeiten zielte Hall ausdrücklich nicht auf den Kunstmarkt. Galerien und Museen oder das Ghetto der alternativen Medienszene waren Hall nicht so wichtig, wie die Verbreitung von Kunst durch die Fernsehausstrahlung an eine breite Öffentlichkeit. Seine Strategie war die Provokation und die Störung des Sendealltags. Davon erhoffte er sich, dass diese Störungen beim Zuschauer zum Nachdenken und zur Reflektion über das Medium selbst führen.

Hall’s Arbeiten waren als Spiegel konzipiert, in dem der Betrachter, der mit seinem Bild eher als Kollaborateur denn als Zuschauer interagierte, »gleichzeitig der Betrachter in einem Prozess des selbstbezogenen Bewusstseins« war. (zit. aus: “The Video Show”, in Art and Artists, Nr. 110,1975)


„Tap piece“

TV Interruptions: #3 „Tap Piece“ 1971, 3:31 Min. Klick auf das Bild öffnet den Film auf YouTube. Alternativ, ohne Werbung, aber nur nach Anmeldung, auf Vimeo (es gelten jeweils die API-Nutzungsbedingungen der Plattform)

Eines der TV Pieces beginnt mit einem weißen Bildschirm. Ein Wasserhahn wird in den leeren Bildschirmraum gerückt und aufgedreht. Das Wasser fließt in Echtzeit in einen (unsichtbaren) Tank – solange bis der Wasserpegel die obere Kante der Bildröhre überschritten hat. In dieser Arbeit, die sich einer inhaltlichen Interpretation weitgehend entzieht, wird nebenbei auf eine spezifische Eigenschaft des Fernsehbildes aufmerksam gemacht. Anders als, etwa, in der modernen Malerei oder beim Medium Kino, das eine Aktivierung des filmischen Raums über die Leinwandgrenzen hinaus ermöglicht, ist der Bildraum beim Fernsehen durch einen Rahmen begrenzt, der Fenstercharakter hat. David Hall schildert die Hintergründe der Produktion seiner TV Interruptions und die Reaktion darauf wie folgt:

Speziell für eine Fernsehausstrahlung konzipiert und hergestellt, wurden sie während des Edinburgh Festivals vom Scottish TV ausgestrahlt. Das Konzept sie als Unterbrechungen des regulären Programms einzufügen war entscheidend und hatte wesentlichen Einfluß auf ihren Inhalt. Diese Sendungen waren eine Überraschung, ein Rätsel. Ohne Erklärungen, ohne Entschuldigungen. Die Reaktionen waren unterschiedlich. Ein „piece“ habe ich in einem Altherrenclub gesehen. Der Fernseher lief ständig, doch die Anwesenden ignorierten das Programm, lasen Zeitung oder dösten vor sich hin.  Als sich der Fernseher mit Wasser füllte, senkten sich die Zeitungen und hörte das Dösen auf. Als das Stück zu Ende war, nahmen alle wieder ihre normalen Aktivitäten auf. Als ich den Verkäufern und Technikern eines Fernsehgeschäfts ankündigte, dass bald ein weiteres Stück kommen würde, luden sie mich in den Laden ein. Als es fertig war, musste ich ihn durch die Hintertür verlassen. Ich nahm dies als positive Reaktionen auf ..

19:4:90 Television Interventions catalogue, Third Eye Centre Glasgow and Ikon Gallery Birmingham, 1990


Verleih „7 TV Pieces“: LUX https://lux.org.uk/work/002613-tv-interruptions-7-tv-pieces
Ausstellung TV Interruptions – The Installation (remade 2006): Tate Collection https://www.tate.org.uk/art/artworks/hall-tv-interruptions-7-tv-pieces-the-installation-t14180

Weitere Info über David Hall: REWIND Artists’ Video (University of Dundee, Scotland, UK)