Struktureller Film als Metafilm

Einführung

Der Begriff „Struktureller Film“ geht auf P. Adams Sitney zurück, der in einem Artikel in der Zeitschrift Film Culture (Film Culture #47, New York 1969) eine Gruppe damals neuer Experimentalfilme als „Structural Film“ bezeichnete. Diese Bezeichnung erwies sich als sehr treffend für eine Filmrichtung, die sich in den nachfolgenden Jahren entfalten sollte, und seitdem so genannt wird. FilmemacherInnen dieser Richtung organisieren ihr visuelles Material nach formalen Strukturen. Diese können entweder aus Eigenschaften des Filmmaterials selbst entwickelt werden oder äußeren abstrakten Konzepten folgen, die auf das Material angewandt werden. In jedem Fall wird aber die Bedeutung der Form über die Bedeutung des Bildinhalts gestellt. Bekannte Vertreter des Strukturellen Films sind Andy Warhol, Tony Conrad, Pauls Sharits, George Landow, Hollis Frampton und Michael Snow in Nordamerika und Kurt Kren, Werner Nekes, Malcolm Le Grice und Peter Gidal in Europa.


Reflektion filmischer Abbildung

Unter medienreflexiven Gesichtspunkten ist die erste Gruppe der strukturellen Filme, die sich auf das Medium Film selbst beziehen, interessanter als die zweite Gruppe, die ihr Material nach äußeren Konzepten, wie etwa mathematische oder kybernetische Formeln, organisieren. Typisch für die erste Gruppe struktureller Filme, ist eine Reduktion und Konzentration auf primäre filmische Elemente, wie etwa Licht, Farbe und Bewegung. Oft befassen sie sich mit Themen wie filmische Illusionsproduktion und physiologische oder psychologische Phänomene der Filmwahrnehmung. Werke dieser Richtung lenken die Aufmerksamkeit auf das Wesen des Mediums. Sie beschäftigen sich mit den grundlegenden Prinzipien und Beziehungen, die für die Existenz und Gestalt jedes einzelnen filmischen Phänomens sorgen. Es sind aber keine Filme über diese Phänomene im dokumentarischen Sinne, sondern Filme, die während der Projektion in der Rezeption des Zuschauers durch und mittels ihrer Struktur ihre Aussage vermitteln: Die Struktur des Mediums nimmt die Gestalt einer intellektuellen Aussage an, die sich in der Projektion des Films formt.

m Folgenden werden – jeweils nur kurz –Filme vorgestellt, die jeweils verschiedene Aspekte, mit denen sich Filmemacher struktureller Filme befassten, beispielhaft dargestellt werden. An erster Stelle steht der österreichische Filmemacher Kurt Kren, der lange vor Prägung des Begriffs strukturell arbeitete. Kren experimentierte mit dem Bildkader als kleinster Montageeinheit und schuf selbstreferentielle Filme über das Verhältnis von Bild und Abbild. Auch Andy Warhols frühe Filme gehören zu den Vorläufern des Strukturellen Films. Seriell arbeitend interessierte ihn insbesondere die Ausdehnung der Filmzeit. Ebenfalls um Zeit im Film, aber im Kontext des filmischen Raums, geht es bei Michael Snow. Wie Kren untersucht er das Spannungsfeld von Bild und Abbild. Tony Conrad, der wie Warhol von der minimal music inspiriert war, lieferte mit The Flicker einen kameralosen ‚puren‘ Film, der wahrnehmungsphysiologische Phänome in den Mittelpunkt stellt. Der deutsche Filmemacher Werner Nekes untersucht welche Bewegungsphänomene zwischen den Bildern, als kleinster filmstruktureller Einheit, geschehen. W+B Hein schließlich setzen sich in ihren Materialfilmen mit dem Rohstoff des Films auseinander.