Einführung – Craig Baldwin
Craig Baldwin (geb. 1952) macht seit mehr als 40 Jahren Found-Footage-Filme. Er gehört zu den bedeutendsten Vertretern dieser Filmgattung. Baldwin kommt aus der Bay Area in Kalifornien. Tief verwurzelt in der Szene der Beatniks der 70er Jahre und der Culture-Jamming-Subkultur von San Francisco in den 90ern des letzten Jahrhunderts zeichnen sich seine Found-Footage-Filme insbesondere durch politische Akzente aus.
Baldwin ist nicht nur Filmemacher, sondern arbeitet als Filmlehrer, betreibt ein unabhängiges Pop-up-Kino, das Other Cinema in der ATA Gallery im Mission District, und ist ein Anti-Copyright-Aktivist.
In unserer visuellen Welt ist aber selbst das entfremdete Bild nicht vor der Entfremdung sicher. ›Culture Jamming‹ ist dahingehend ein wichtiger Ausdruck, dass man die Technologien nicht einfach ›den anderen‹ überlässt, sondern sie sich selbst gleichfalls zu Nutze macht. Das ist auch der Grund, warum ich mit ›Found Footage‹ arbeite, und es seinem ursprünglichen Kontext entreiße. Die Notwendigkeit einer Beziehung zwischen Image und Bedeutung ist in der ›Corporate Culture‹ durch die Fetischisierung des Trademarks völlig unterminiert worden (…) Momentan ist ›Culture Jamming‹ eine Schlacht an dieser Front. Das ist unsere Form der Politik: die Politik der Semiotik (…) das ist ein sehr situationistischer Ansatz. Es gibt das Bild, und es gibt die Bedeutung, und das Verhältnis zwischen beiden ist verhandelbar.
Busche, Andreas: Culture Jamming, Andreas Busche im Gespräch mit Craig Baldwin, Telepolis 5.5.2001
Für seine Filme sammelt er Material auf Flohmärkten und Trödelläden und greift insbesondere aber auch auf trashige B-Movies und Archive mit Kultur- und Lehrfilmen zurück. Dieses Material verarbeitet er zu narrativen Filmen mit Themen wie Kolonialismus und Waffenindustrie, die amerikanische Einmischung in Lateinamerika, die Tätigkeit von Geheimdiensten oder den Wettbewerb um die Macht in der Informations- und Mediengesellschaft. Seine Filme sind zugleich Dokumentation, Satire, Camp und Propaganda. Sein Lieblingsgenre ist der Science-Fiction-Film. Er spielt dabei mit gesellschaftlicher Paranoia und Verschwörungstheorien. Baldwin bezeichnet seine Arbeiten als narrative Collagen. Bezüglich der Verwendung (fremder) Bilder bezieht er sich auf die >Dadaisten und die Situationisten, insbesondere Guy Debord. Zu seinen wichtigsten frühen Filmen, auf die hier Bezug genommen wird, gehören RocketKitKongoKit (USA 1986), Tribulation 99: Alien Anomalies Under America (USA 1991) und Spectres of the Spectrum (USA 1999).
Filmografie: Flicksin (1974, Kurzfilm), Stolen Movie (1975, Kurzfilm), Wild Gunman (1978, Kurzfilm), RocketKitKongoKit (1986, Kurzfilm), Tribulation 99 (1991), O No Coronado! (1992, Kurzfilm), Sonic Outlaws (1995), Spectres of the Spectrum (1999), Mock up on Mu (2008)
Filmquellen: The Other Cinema Shop (DVDs), Canyon Cinema (16mm), „RocketKitKongoKit“ (Apple TV USA), „Spectres of the Spectrum“ (Apple TV)