Ulrike Ottinger

Regisseurin Ulrike Ottinger
©Ulrike Ottinger

Nachdem der Kinostart des Films Paris Calligrammes im CinéMayence aufgrund des Lockdowns bereits zweimal verschoben werden musste, konnte er im November 2022, zur großen Freude aller Mainzer Kinoliebenden, doch endlich gezeigt werden. Der Film lief zugleich in der Spotlight-Reihe des Mainzer Filmfestivals FILMZ – Festival des deutschen Kinos welche einen Fokus auf Deutsch-Französische Filmbeziehungen richtete, und im Rahmen der Französischen Woche des Institut français Mainz. Aber das lange Warten hat sich gelohnt – am 13. November 2021 konnten die Zuschauer*innen nicht nur endlich Paris Calligrammes im Kino sehen –  Regisseurin Ulrike Ottinger war persönlich zu Gast im CinéMayence und stand dem Publikum nach der Vorstellung für Gespräche zur Verfügung.


Filmemacherin, Autorin, Fotografin und Künstlerin Ulrike Ottinger ist am 6. Juni 1942 geboren und in Konstanz am Bodensee aufgewachsen. Von 1962-1969 lebte und arbeitete sie als freie Künstlerin in Paris. Und genau über diese Zeit, ihre Erinnerungen an die Pariser Bohème und die einschneidenden politischen und kulturellen Umbrüche der 1960er Jahre, berichtet sie in ihrem jüngsten Werk Paris Calligrammes. Uraufgeführt wurde der Film 2020 auf der Berlinale, wo Ottinger im selben Jahr mit der Berlinale-Kamera für ihr Lebenswerk ausgezeichnet wurde.

Über Malerei, Fotografie und Performance kam die vielseitige Künstlerin zu Beginn der 1970er Jahre zum Filmemachen. Ihr erstes Drehbuch Die mongolische Doppelschublade entstand 1966 und zwischen 1971-1973 realisierte sie, zusammen mit Tabea Blumenschein, ihren ersten Film Laokoon und Söhne. Zudem gründete sie 1969 in Zusammenarbeit mit der Universität Konstanz den filmclub visuell, wo internationale Independent Filme, Filme des Neuen Deutschen Film und historische Filme gezeigt wurden. Parallel dazu eröffnete sie die Galerie und Edition galeriepress.

1977 erlangte der Film Madame X – Eine absolute Herrscherin, ein Piratinnenfilm. welcher vom ZDF koproduziert wurde, internationalen Erfolg. Auch hier zeigt sich, dass Ottinger eine der wichtigsten Vertreterinnen des avantgardistischen Kinos ist. Ab 1979 arbeitete Ulrike Ottinger dann an ihrer „Berlin Trilogie“, bestehend aus Bildnis einer Trinkerin (1979), Freak Orlando (1981) und Dorian Gray im Spiegel der Boulevardpresse (1984).

Neben zahlreichen Spielfilmen wendet Ottinger sich auch immer wieder dem Dokumentarfilm zu. So entstand nach ihrem Umzug nach Berlin 1973 die Happening Dokumentation Berlinfieber – Wolf Vostell und im Jahre 1985 dann, auf einer ihrer etlichen Asienreisen, ihr erster Langdokumentarfilm China. Die Künste – Der Alltag. Unter anderem für diesen Film wurde sie mit dem Preis der deutschen Filmkritik für die Dokumentarfilme ausgezeichnet.

Ihre Filme zeichnen eine oft jahrelange Recherche aus. Für ihren Dokumentarfilm Taiga (1972) begleitete sie beispielsweise Nomad*innen der nördlichen Mongolei auf ihrer Wanderung und für ihre zwölfstündige Dokumentation Chamissos Schatten (2016) reiste sie dreieinhalb Monate durch das Beringmeer. Im Rahmen der Asien-Pazifik-Wochen 2011 am Haus der Kulturen der Welt wurde ihr im japanischen Schneeland gedrehter Film Unter Schnee (2011) parallel zu ihrer Ausstellung „Floating Food“ uraufgeführt.

Neben ihrer Arbeit als Filmregisseurin inszeniert Ulrike Ottinger auch an Theatern und Opern, wo sie neben ihrer Arbeit als Regisseurin auch alle Bühnenbilder der Stücke selbst entwirft. Außerdem ist sie seit 2019 Mitglied der Academy of Motion Picture Arts and Sciences, die jährlich die Academy Awards (»Oscars«) verleiht.

Ihre Filme liefen auf internationalen Festivals und wurden in zahlreichen Retrospektiven wertgeschätzt. Beispielsweise im New Yorker Museum of Modern Art oder in der Pariser Cinémathèque française. Zudem waren ihre filmischen und fotografischen Arbeiten auf großen Kunstaustellungen, wie der Biennale di Venezia, der Documenta, sowie der Berlin Biennale und im Berkeley Art Museum and Pacific Film Archive zu sehen.


FILMOGRAFIE

1972/1973      Laokoon & Söhne
1973                Berlinfieber – Wolf Vostell
1975                Die Betörung der blauen Matrosen
1977                Madame X – Eine absolute Herrscherin
1979                Bildnis einer Trinkerin
1981                Freak Orlando
1984                Dorian Gray im Spiegel der Boulevardpresse
1985                China. Die Künste – Der Alltag
1986                Superbia – Der Stolz
1987                Usinimage
1989                Johanna d’Arc of Mongolia
1990                Countdown
1991/1992      Taiga
1997                Exil Shanghai
2002                Das Exemplar
2002                Südostpassage
2002                Ester
2004                Zwölf Stühle
2007                Prater
2008                Seoul Women Happiness
2008                Die koreanische Hochzeitstruhe
2009                Still Moving
2011                Unter Schnee
2016                Chamissos Schatten
2016                Aloha
2019                Paris Calligrammes