Raum im dadaistischen Film: „Entr’Acte“ von René Clair

Entr’acte: Filmische Gestaltungsmittel

Entr’acte ist ein Film, der trotz seiner Kürze, fast alle Konventionen und Methoden des Films, die sich damals bereits verfestigt oder entwickelt hatten, kommentiert und einsetzt. In seiner radikalen „Dekonstruktion“ des zeitgenössischen Kinos wirkt Entr’acte heute chaotisch und unüberschaubar – voll gestopft mit Bezügen, Andeutungen und Experimenten vor und hinter der Kamera.

Entr’acte ist vor allem auch ein gesellschaftskritischer Film, der mit den Mitteln der Satire und der Parodie Erscheinungen der damaligen Gesellschaft aufs Korn nimmt: Paraden, Staatsakte und Rituale des Bürgertums stehen im Mittelpunkt der Kritik. Die Gesellschaft des Spektakels – von der Kirmes über Vergnügungsparks und Sportveranstaltungen bis zum Variété – wird thematisiert. Politiker, Würdenträger und Mächtige werden lächerlich gemacht. So trägt zum Beispiel der Anführer des Trauerzugs eine Uniform der Banque de France, während sein Leichenwagen von einem Dromedar gezogen wird. Der Wagen selbst ist mit Schinken, Würsten und Kränzen aus Brot geschmückt, von denen sich die feine Gesellschaft während der Trauerprozession bedient, während ein Beinamputierter auf seinem Wägelchen (d.h. ein Kriegsveteran) nicht mithalten kann.

Filmische Gestaltung (2 Zitatclips, 44s)

Während die Motive und Szenen, in ihrer absichtlich zufälligen Folge, dem Drehbuch Picabias zugerechnet werden, setzt René Clair diese Vorgaben in einer rhythmisch gegliederten Montage oft geometrisch strukturierter Bildelemente unter Verwendung aller nur erdenklichen Techniken um. Insbesondere im ersten Teil des Films spielt René Clair mit dem ganzen Repertoire filmischer Tricks und Techniken: Zeitlupen, Zeitraffer, Überblendungen, Mehrfachbelichtungen, subjektive Kamera, gekippte und auf den Kopf gestellte Einstellungen, Stopptricks und vieles mehr. Alles was Mèliès, Lumière und Co bis dahin im Dienste eines illusionistischen Kinos erfunden haben, wird von Clair so spielerisch virtuos eingesetzt, das die Logik der damit verbunden Konventionen unterminiert wird. Auch Filmgenre, die sich in den 20er Jahren bereits entfaltet haben, werden einer anarchischen Dekonstruktion unterworfen: Wochenschauen oder Kulturfilme aus der Welt der Mode und des Sports und nicht zuletzt das Genre der amerikanischen Slapsticks.