Medienkunst (Video + TV) – „Wonder Woman“ von Dara Birnbaum


„Technology/Transformation: Wonder Woman“ von Dara Birnbaum

Eine der bekanntesten kurzen Videoarbeiten von Dara Birnbaum ist Technology/Transformation: Wonder Woman (1978). Birnbaum verwendet darin ausschließlich Bildmaterial aus einer Fernsehserie, die in den 70er Jahren populär war.

Versionen der populären Kultfigur aus Comic, TV und Kino. Vorlage für Dara Birnbaum: TV-Serie von 1975-1979 (dritte von links); Quelle: Seattle International Film Festival

Im Mittelpunkt der CBS-Sendung Wonder Woman stand eine einfache Büroangestellte, die sich in Notsituationen in eine erotisch-glamouröse Amazone verwandelt und anderen Menschen hilft. Als eine Art weiblicher Superman verfügt Wonder Woman über übermenschliche Kräfte.





Birnbaum zeigt aus der Fernsehserie vor allem die Momente während und nach der Verwandlung, die jeweils von einem explosiven Knall und einem Lichtblitz begleitet sind. Die narrativen Elemente, die im Original überwiegen, lässt Birnbaum hingegen aus. In der zweiten Hälfte wird die sexualisierte Botschaft in den nur als Lauftext sichtbaren Lyrics des Songs „Shake thy Wonder Maker“ ironisiert.

Zitat aus „Technology/Transformation: Wonder Woman“ (2 Ausschnitte) @Dara Birnbaum / Vollständige Version auf YouTube

Die Aneinanderreihung der Verwandlungen von einer Persönlichkeit in eine andere, die im Fernsehoriginal jeweils beide chauvinistischen Rollenklischees entsprechen, und die Reduktion auf Action ohne Narrativ wird von der affirmativen feministischen Kritik als Dekonstruktion und Herausstellung des männlichen Blicks verstanden.

Screenshot aus „Technology/Transformation: Wonder Woman“ ©Dara Birnbaum

Jedoch verschwinden bei Birnbaum die Festlegungen auf eine bestimmte männlich definierte Identität und die Unterschiede der Rollen. Deshalb treten zwar die Klischées hervor, aber auch eine neue, gestärkte weibliche Identität. Während in der Fernsehserie der Wunsch nach Emanzipation in die Welt der Fantasie verwiesen wird, zeigt Birnbaum die Transformationen als hyperreale Befreiung. Sie eröffnet damit dem Zuschauer/der Zuschauerin eine völlig andere Perspektive der Rezeption jenseits der unzumutbaren Alternative Büromädchen oder Fantasiefrau in der Fernsehvorlage.

Mit den Wiederholungen und Abbrüchen kurzer Szenen nimmt das Video die Scratch-Videos der 90er Jahre vorweg. Birnbaum verfolgt damit die Absicht, »zu versuchen, die technologische Geschwindigkeit’ des Fernsehens zu verlangsamen und dem Zuschauer Momente der Fernsehzeit anzuhalten, um ihm Gelegenheit zur Beobachtung und Reflektion zu geben« (Dara Birnbaum, »Author’s Introduction«, S. 13).


Filmografische Angaben:
„Technology/Transformation: Wonder Woman“, Dara Birnbaum, Nova Scotia College of Art and Design, Original Fernsehmaterial aus „Wonder Woman“ CBS Inc., Musik: The Wonderland Disco Band, f, Stereoton, 5:50 Min, USA 1978

Filmquellen:
Videoarchiv »Surveying the 1st Decade: Video Art and Alternative Media in the U.S.«, Video Data Bank, Chicago
Electronic Arts Intermix, New York
In Europa: Lux Distribution, London

Literatur:
Birnbaum, Dara (1978): »Author’s Introduction«, in: Nova Scotia pamphlets 4, Press of the Nova Scotia College of Art and Design, Halifax 1987
Hall, Doug und Sally Jo Fifer 1990: Illuminating Video. An Essential Guide to Video Art, Aperture/Bay Area Video Collection, San Francisco/New York
Tuer, Dot (1995): »Mirrors and Mimesis: An Examination of the Strategies of Image Appropriation and Repetition in the Work of Dara Birnbaum«, in: N.Paradoxa, Issue 3, ISSN 1462-0426, Mai 1997
Zippay, Lori: Artists’ Video. An International Guide, Electronic Arts Intermix (Hg), Cross River Press, New York 1991
Demos, T.J.: Dara Birnbaum Technology/Transformation: Wonder Woman. MIT Press 2010

Interview: „Turning the Television on itself„, Legacies of the Television Age, National Gallery of Victoria, Australia